(Aus)Wirkung psychischer Gewalt: Verunsicherung, Destabilisierung und letztlich Überschreibung des Selbst

Der Text auf dieser Unterseite richtet sich an bereits getrennte Betroffene. Er ist aber gleichermaßen geeignet für Frauen, die sich fragen, ob ihre Beziehung eine Misshandlungsbeziehung ist, sowie für Betroffene, die sich bisher noch nicht von ihrem „Partner“ trennen konnten.

ACHTUNG: Das Lesen und Bearbeiten dieser Unterseite kann „triggern“, d.h. es ist möglich, dass Du Dich emotional in die Zeit der Misshandlungen zurückgeworfen fühlst und von damit verbundenen schmerzhaften Gefühlen überflutet wirst. Ebenso könnte die gegenteilige Reaktion bei Dir auftreten: Das Gefühl emotionaler Stumpfheit. Achte beim Lesen/Beantworten der Fragen auf Deine Gefühle; bemerkst Du eine dieser Reaktion, unterbreche die Bearbeitung sofort und setze sie erst dann fort, wenn Du wieder stabil bist.

Analyse und Auswirkungen der Misshandlungen

Der nachfolgende Text ist eine Abschrift einer Selbsterkundungsübung aus dem Psychologischen Sachbuch:

„Neu anfangen nach einer Misshandlungsbeziehung“ von Meg Kennedy Dugan und Roger R. Hock, 1. Auflage 2009, Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern, S. 43 bis 45.

Eine Bestellmöglichkeit ist am Seitenende zu finden.

 

Selbsterkundungsübung: Analyse der Misshandlungen

Erläutern Sie bei den folgenden Aufgaben kurz, welche Wirkung die missbräuchlichen Verhaltensweisen auf Sie hatten.

  • Zählen Sie auf, was Ihr Partner gesagt oder getan hat, damit Sie ein schlechtes Bild von sich bekommen (falls er sowas getan hat). Beispiele wären: er belegte Sie mit Schimpfworten, sagte Ihnen, dass Sie dumm oder unattraktiv seien oder machte Sie nieder, wohlmöglich sogar vor anderen. Erläutern Sie kurz, welche Gefühle diese Verhaltensweisen in Ihnen ausgelöst haben.
  • Notieren Sie, mit welchen Mitteln Ihr Ex-Partner sich die Kontrolle über die Beziehung sicherte (falls er das tat). Beispiele dafür wären: er hatte bei sämtlichen finanziellen Entscheidungen das letzte Wort; er beschloss, wann Sie welche Freunde oder die Familie sahen, was Sie taten und wohin Sie allein oder mit ihm gemeinsam gingen
  • Erklären Sie, welche Auswirkungen es auf Ihr damaligen Leben hatte, dass er die Kontrolle besaß
  • Zählen Sie auf, was Ihr Partner tat oder sagte, um Ihnen das Gefühl zu geben, Sie hätten keine andere Wahl als bei ihm zu bleiben (falls er dies tat). Beispiele hierfür wären: er erzählte Ihnen, dass Sie die Kinder nie wieder sehen würden, wenn Sie ihn verließen; oder er sagte, dass niemand Ihnen bezüglich der Misshandlungen glauben würde, oder dass die Misshandlungen sich verschärfen würden, wenn Sie versuchten, ihn zu verlassen
  • Erklären Sie, welche Auswirkungen es damals hatte, dass er es schaffte, Sie in der Beziehung gefangen zu halten. Hielt er sie zum Beispiel davon ab, Ihre Familie zu sehen oder zur Schule zu gehen? Verloren Sie deshalb Ihren Job? …
  • Zählen Sie auf, durch welche Worte oder Taten Ihr Partner Ihnen das Gefühl gab, nicht liebenswert zu sein (falls er das tat). Beispiele wären: er sagte Ihnen, Sie seien dumm, hässlich, eine schlechte Liebhaberin oder wüssten nicht, wie man mit einem Partner umgehen müsse, usw.
  • Erklären Sie, wie sich seine Behauptung, dass Sie nicht liebenswert seien, auf Ihr damaliges Leben auswirkte. Beispiele wären, dass Sie sich von Ihren Freunden zurückzogen, dass Sie an Selbstachtung verloren oder dass Sie dadurch zu dem Glauben gelangten, Sie seien hässlich, dumm oder faul
  • Notieren Sie, durch welche Worte oder Taten Ihres Partners Sie sich unsicher oder bedroht fühlten. Beispiele wären: Ihr Partner wurde immer gewalttätiger, versicherte Ihnen, dass er Sie überall finden würde, wo Sie auch hingehen, oder er drohte Ihnen ganz offen mit Verletzungen oder dem Tod.
  • Erklären Sie, welche Auswirkungen die Angst auf Ihr damaliges Leben hatte, die er Ihnen machte. Sind Sie zum Beispiel deshalb in der Beziehung geblieben? Haben Sie deshalb immer nach den Wünschen Ihres Partners gehandelt? Hatten Sie ständig Angst, verletzt zu werden?

Diese genauere Analyse sollte Ihnen dabei helfen zu bestimmen, ob Sie in einer Misshandlungsbeziehung waren. Das Ausmaß, in dem sein Verhalten negative Auswirkungen auf Sie hatte, verhilft Ihnen zu einer größeren Klarheit darüber, dass Sie in einer Misshandlungsbeziehung waren.


Wir danken dem Verlag Hans Huber für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Auszugs

Diese Selbsterkundung dient im Buch der Überprüfung, ob Du in einer Misshandlungsbeziehung warst. Das sich-gewahr-werden der Misshandlungen und deren Auswirkungen dient aber auch dazu, die „Trennungssicherheit“ zu erhöhen/ Rückfallgefahr zu verhindern und Deine Gewissheit zu stärken, dass es gut ist, dass diese „Beziehung“ vorbei ist.

Viele Betroffene leiden nach der Trennung unter wiederkehrenden Sehnsuchtsanfällen, während derer die Erinnerung an die erlittenen Misshandlungen wie weggewischt ist. Wir empfehlen Betroffenen grundsätzlich, eine (meist zunehmend durch Ergänzungen wachsende) Liste der Misshandlungen zu erstellen. Die Beantwortung der Fragen dieser Selbsterkundungsübungen bildet ein wesentliches Element einer solchen Liste.

Quelle der Checkliste und des dazugehörigen Textes und uneingeschränkte Empfehlung an alle Frauen, die von einer Misshandlungsbeziehung betroffen waren: