Beherrschender Einfluss: Die Manifestation von Macht

Missbrauch basiert auf Macht. Macht manifestiert sich dain Herrschaft bzw. beherrschender Einflussnahme. Dein Misshandler fühlt/“macht“ sich sicher, indem er Dich und Deine Lebenswelt beherrscht.

Diese Dynamik ist oft schwer zu durchschauen. Eine gesunde Partnerschaft basiert auf Miteinander und Gegenseitigkeit. Dies entspricht i.d.R. auch dem Beziehungskonzept der Partnerin. Ein Misshandler lebt nach einem gänzlich anderem Konzept und verfolgt anderes Ziele: sein Bestreben ist es, alle Lebensbereich der Partnerin unter seine Kontrolle zu bringen, ihr Leben zu beherrschen, sowohl ihre Lebensumstände, als auch ihr Innenleben (Wahrnehmung, Einstellungen/Meinungen, Gefühlswelt).

Dies führt gleichzeitig dazu, dass die Betroffene geschwächt und zunehmend abhängiger vom Misshandler wird. „Du bist nichts, Du kannst nichts, Du hast nichts.“ – Diese destruktive Kränkung wird zunehmend zur Realität der Betroffenen. Schwindender Selbstwert, zunehmende Abhängigkeit; Tendenz zur „Dankbarkeit“, dass er trotzdem bei ihr bleibt.

Das folgende Zitat (übersetzt) von MANALIVE (vergleichbar mit „Männer gegen Männergewalt“) bringt den Sachverhalt auf den Punkt:

Männliche Herrschaft lässt sich dadurch erreichen, die emotionale und körperliche Integrität der Partnerin physisch, verbal und/oder emotional zu zerstören, so dass sie Angst hat, sie selbst zu sein, sich selbst beschränken wird und damit empfänglich für seinen beherrschenden Einfluss ist. … Kontrollausübendes Verhalten hat das Ziel, sie von den Ressourcen abzuschneiden, die die Grundlage für ihr Wohlbefinden und Integritätsgefühl bilden.

Es gibt verschiedene Grundstrategien, um einen Menschen unter die eigene Kontrolle zu bringen bzw. diesem Herrschaft aufzuzwingen: Verbale Gewalt, Körpersprache und Rückzug/Liebesentzug (bis das gewünschte Verhalten erreicht ist).

 

Strategien zum Herbeiführen von Dominanz und Beherrschung

Beherrschende Dominanz kann auf subtile Art und Weise erreicht und fortgesetzt werden. Im folgenden Text werden acht verschiedene Strategien dargestellt. Einzeln betrachtet, wirken einige von ihnen sehr harmlos. Da aber meist (fast) alle Strategien angewandt werden, lässt sich bei genauer Betrachtung das Ziel des „Partners“ sehr deutlich ausmachen: Macht durch Kontrolle über zentrale Lebensbereiche

Kontrolle über ihr Zeitmanagement
Kontrolle über ihren physischen und sozialen Raum
Kontrolle über die finanziellen und materiellen Ressourcen
Dominanz durch Körpersprache und Gestik
Dominanz durch Definition ihrer Realität
Dominanz durch die Definition ihrer Motivatoren („ich weiß, warum Du xyz tust…“)
Dominanz durch Schuldzuweisung
Dominanz durch Statuszuweisung

Kontrolle über ihr Zeitmanagement

Er erreicht und manifestiert Macht dadurch, die Verfügungsgewalt über Dein Zeitmanagement zu erlangen, und – schlimmer noch – dieses über den Haufen zu werfen (Destabilisierung). Zusätzlich weigert er sich, seine Zeitpläne mit Dir zu besprechen. So bleibst Du im Ungewissen, kannst noch schlechter planen, Deine Planung ist fehleranfällig (weitere Möglichkeit für Abwertungen und Strafen). Deine Terminplanung ist von ihm abhängig, auf ihn ausgerichtet.

 

Kontrolle ihres physischen und sozialen Raums

Der „eigene Raum“ ist für jeden Menschen wichtig. Damit ist nicht ein Zimmer in einer Wohnung gemeint, sondern einfach ein Bereich, den man für sich hat, nicht nur räumlich, sondern auch sozial (soziale Kontakte und Freunde) und psychisch (eigene Interessensbereiche).

Ein Misshandler wird (meist erfolgreich) versuchen, in diese Räume einzudringen, und den Raum für sich zu beanspruchen. Dies kann auf verschiedenen Wegen erfolgen:

Einfluss auf den sozialen Raum:

Er beschneidet Deine Kontakte zu anderen Menschen. Dies kann sehr subtil geschehen, z.B. indem er „vergisst“, Grüße von anderen Menschen auszurichten oder „vergisst“ Dir auszurichten, dass (gemeinsame) Freunde angerufen haben. Vielleicht geht er auch so weit, Treffen mit Deinen Freunden zu boykottieren, entweder indem er so lange quengelt und streitet, bis Du zu Hause bleibst, oder indem er Dir nicht „erlaubt“, andere Menschen zu Euch nach Hause einzuladen. Siehe auch: Isolation. Damit erreicht er, dass Du von Kontakten abgeschnitten wirst, die ihn „entlarven“ und Dir helfen könnten, Dich zu wehren und zu befreien.

Eindringen in Deinen intellektuellen Raum:

Er kann in Deinen intellektuellen Raum eindringen, indem er Dich immer wieder mit ausschweifenden oder absurden Argumenten zermürbt, oder indem er Dich schlicht und ergreifend unterbricht.

Sollte es Deinem Partner nicht gelingen, in bestimmte Räume einzudringen, z.B. weil ihm Kenntnisse über diese Bereiche fehlen, wird er versuchen, diese zu entwerten.

Verhinderung, dass Du „Deine Mitte findest“, „in Deine Kraft findest“:

Er kann Deine Entspannungsphasen unterbrechen, ganz einfach indem er genau dann viele Fragen stellt, wenn Du Dich zum Ausruhen zurückgezogen hast, oder in Ruhe ein Buch lesen willst, eine eMail schreibst oder zu meditieren versuchst.

Eindringen in Deine Privatsphäre:

Er dringt in Deine Privatsphäre ein, z.B. indem er Dich über Deine privaten Aktivitäten detailliert ausfragt (und Streit provoziert oder gekränkt reagiert, wenn Du ihm nicht jedes kleinste Detail berichten möchtest) oder indem er „zufällig“ Deine Post öffnet, eMails, SMS liest, bei Telefonaten mithört.

Er stört Deinen Schlaf.

Er überzeugt (nötigt!) Dich, mit ihm zu schlafen, obwohl Du es eigentlich nicht willst. Siehe auch: sexuelle Gewalt.

 

Kontrolle über materielle/finanzielle Ressourcen

Er verwaltet „Euer“ Geld. Du musst ihn um Geld bitten um den Haushalt zu besorgen oder Dinge für Dich zu kaufen. Du musst jede Ausgabe begründen. Derartiges ist demütigend.

 

Dominanz durch Unterlassung

Zwar sagt er zu, bestimmte Dinge zu erledigen, erledigt sie aber effektiv nicht. Erledigt Du sie selbst, bist Du „selber schuld“ und hast ihn zudem gekränkt (berechtigt ihn zu Sanktionen). Wiederholst Du Deine Bitte „nervst“ Du ihn. Lässt Du die Dinge von einer anderen Person erledigen, hast Du zu wenig Vertrauen.

 

Dominanz durch Körperhaltung, Gestik und Mimik

Ein Misshandler muss nicht zu aktiver verbaler Gewalt greifen, um verletzend und/oder dominierend zu sein. Er kann auch seinen Körper einsetzen, – ohne direkt physische Gewalt anzuwenden. Häufige Strategien in diesem Bereich: schmollen; sich weigern mit dem anderen zu sprechen; Entzug von Aufmerksamkeit; demonstrativ wütendes aus dem Raum stampfen; Türen knallen; weggehen; auf Gegenstände einschlagen; nach Gegenständen treten; rücksichtslose Autofahren; wütendes Starren. Viele Betroffene lassen sich im Verlauf der Zeit bereits durch die Körpersprache steuern.

Eine derartige Körpersprache ist oft Ausdruck non-verbaler, toxischer Wut. Die Partnerin spürt, dass der Misshandler wütend ist oder wütend wird. Sie kennt und fürchtet die Folgen und leitet Besänftigungsverhalten ein.

 

Dominanz durch Definition der Realität

Einen anderen Menschen oder dessen psychische, emotionale oder kognitive Realität zu definieren ist ein Übergriff: Wenn ich DIR sage, was DU denkst, fühlst oder meinst, spiele ich Gott und maße mir an, zu wissen, was mit Dir und in Dir los ist. Vor allem maße ich mir damit an, Deine Wahrheit, Deine Wahrnehmung zu negieren und durch meine eigene zu ersetzen. Wenn ich Dir sage, dass … nicht das ist, was Du getan, gesagt, gedacht, gemerkt oder gefühlt hast, dann verletze ich damit nicht nur Deine psychologischen Grenzen (und bin hochgradig missachtend), ich spreche Dir damit gleichzeitig das Recht und die Richtigkeit Deiner eigenen Wahrnehmung und Realität ab.

Das Ganze fällt in die Kategorie „Crazymaking“, verrücktmachen. Es ist, als würde Dir Kleister ins Gehirn geschüttet und irgendwann weißt Du nicht mehr, was wahr ist, was Du denkst, meinst fühlst.

Die Folgen dieser Form von Kontrolle und Machtmissbrauch sind schwerwiegend. Wenn Dein Partner sich permanent anmaßt, Deine Realität zu definieren und Du diese Angriffe nicht deutlich abwehrst, fängst Du schnell an, Deinen Wahrnehmungen zu misstrauen. Wenn Dir immer wieder mitgeteilt wird, was Deine Gefühle, Ansichten, Motive und Wahrheiten seien, ist dies nicht nur verletzend, übergriffig und kontrollierend, es zerstört auch Stück für Stück Deine eigene Integrität und löst Dich förmlich von innen her auf: Deine Wahrheiten werden durch seine Realität ersetzt; von Dir bleibt immer weniger übrig.

Er definiert damit die Realität und hat somit die Macht zu bestimmen, „was wahr ist“.

Insbesondere hat er die Macht festzulegen, dass Eure Konflikte „Deine Schuld“ seien. Er kann festlegen, dass er Dich nicht misshandelt, sondern sich normal verhält. Er kann festlegen, dass Du krank/gestört bist.

 

Dominanz durch die Definition ihrer Motivatoren („ich weiß, warum Du … tust…“)

„Du suchst nur nach Streit.“, „Du willst mich einfach nur schlechtmachen“, „Du willst einfach nicht zugeben, das…“, „Das machst Du doch nur, weil Du …“.

Niemand kann Dir sagen, warum Du etwas tust. Andere Menschen können nur Vermutungen formulieren und entsprechende Angebote machen: „vielleicht tust Du das, weil Du hoffst dass dann…“.

In Misshandlungsbeziehungen sind derartige Definitionen nicht nur ein Mittel, um Macht über die Partnerin auszuüben, sie führen gleichzeitig wieder zu Verlust der gesunden Selbstbezogenheit bei der Partnerin.

Häufig sind diese „untergejubelten“ vermeintlichen Intentionen derart irrational dass der Betroffenen buchstäblich nichts mehr dazu einfällt. Anfangs stellt sie vielleicht noch die Frage „Wie kommst Du darauf? Was in meinem Verhalten veranlasst Dich, so von mir zu denken“. Die Antworten klingen manchmal sogar zunächst schlüssig. Erfahrungsgemäß werden sie zunehmend irrationaler, die Betroffene ist aber aufgrund der Misshandlungsfolgen nicht mehr in der Lage, klar zu denken oder zu argumentieren.

 

Dominanz durch Schuldzuweisung

Im Forum werden seit einiger Zeit „typische Aussagen“ von Misshandlern gesammelt. Die häufigste ist: „Du bist schuld! (dass…, weil Du…)“. Der Betroffenen wird – oft durch das Mittel der Wiederholung – weisgemacht (eingebläut!), dass es ihre Schuld sei, dass der Misshandler misshandelt.

Es ist Deine Schuld, dass er wütend wird, weil Du …
Es ist Deine Schuld, dass er frustriert ist, weil Du …
Es ist Deine Schuld, dass Du unglücklich in Eurer Beziehung bist, weil Du …
Es ist Deine Schuld, dass Ihr Euch wieder gestritten habt, weil Du

Dominanz durch Statuszuweisung

Die Betroffene wird zunehmend abgewertet. Ihr wird vermittelt, dass sie dumm, hässlich, unfähig, wertlos, eine schlechte Mutter, eine schlechte Partnerin, eine schlechte Liebhaberin, etc. sei. Die Abwertungen finden zunehmend Eingang in das Selbstbild der Betroffenen, bis Du irgendwann überzeugt bist, dass all das, was er über Dich sagt, zutreffend ist.

Dadurch wirst Du geschwächt. Du verlierst Dein Selbstwertgefühl. Du wirst zunehmend dankbarer, dass er trotz Deiner Fehlerhaftigkeit bei Dir bleibt. Deine Angst steigt, dass er Dich wegen einer anderen Frau verlassen könnte, da andere Frauen „besser“ und anziehender sind. Du steigerst Deine Bemühungen, ihn zu halten. Du wirst eifersüchtig. Du entwickelst Verhaltensweisen, die Anlass zu weiteren Abwertungen sind.