Frauenhaus – Mythos und Realität – ein Zwiegespräch

Du steckst in einer unlösbaren Situation mit Deinem gewalttätigen „Partner“? Er hat Dir gedroht, dass Du im Falle einer Trennung Deine Kinder nie wieder sehen würdest und dass Du ohne ihn garantiert untergingest? Und überhaupt hast Du auch keine wirklichen Freunde mehr, da er Dich jahrelang isoliert hat? Du weisst nicht, was Du tun kannst, wo Du hin kannst und hast niemanden, der Dich direkt unterstützen kann?

Vielleicht hast Du schon überlegt, mit Deinen Kindern – falls Du welche hast – in ein Frauenhaus zu gehen, bist bisher aber davor zurückgeschreckt. Dieser Artikel möchte Dir helfen, eine informierte Entscheidung bezüglich eines Frauenhaus-Aufenthalts treffen zu können und Dich ermutigen, dass jeder Schritt aus der Tür, weg vom Misshandler, ein richtiger ist.

Los geht es mit der einfachsten Frage:

 

Was ist eigentlich ein Frauenhaus?

„Ach, das ist so ein dreckiges Haus am Stadtrand, direkt da, wo auch die ganzen Bordelle sind. Da gehen die Asylantinnen hin, wenn ihre Kerle sie grün und blau geprügelt haben und die dicken HartzIV-Empfängerinnen, die nur von hier bis zu ihren Zehenspitzen denken können…“

„Für mich ist ein Frauenhaus, wo Frauen und auch Frauen mit Kindern hingehen können, wenn sie seelisch misshandelt werden und auch körperlich misshandelt werden und nicht wissen, wo sie hingehen sollen.“

„Da ist es immer total laut. Dauernd wird herumgeschrien! Manchmal schreien da Leute, als würden sie ermordet. Auf jeden Fall sind da die ganzen Asozialen, da würde ICH nie hingehen.“

„Ein Auffanglager für geschlagene Frauen.“

„Da hab‘ ich mit Mama und meinen Geschwistern Urlaub gemacht, bis wir eine neue Wohnung hatten. Der Papa hat mich schlimm verhauen und immer mit der Mama geschimpft, deshalb konnten wir nicht mehr bei ihm wohnen.“

„Im Frauenhaus gibt es ein großes Spielzimmer, da spielen die Kinder mit den Erzieherinnen, wenn die Mamas ins Büro müssen. Wir haben viele Ausflüge gemacht. Wann fahren wir da wieder hin?“

„Ich hatte dort ein eigenes Zimmer. Aus dem Fenster konnte ich Felder und den Wald sehen. Es war sehr friedlich.“


„In einem Frauenhaus wohnen Frauen, die sich ohne ihren gewalttätigen Expartner eine eigene Existenz aufbauen müssen. Manche kommen ohne jeden Besitz. Diesen Frauen helfen wir, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden, anfangs ganz praktisch: Beim Stellen von Anträgen, beim Regeln des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder, bei der Beschaffung von Wohnung und Einrichtung und dabei, überhaupt erst einmal zur Ruhe zu kommen.“


 

Das sind einige der Antworten, die ich von Bekannten, Freundinnen, einer Sozialpädagogin und meinen eigenen Kindern bekommen habe. Jede enthält ein Körnchen Wahrheit.

Ein Frauenhaus ist ein Haus, in dem in Not geratene Frauen übergangsweise Unterkunft finden, ob mit oder ohne Kinder.

Es gibt verschiedene Organisationsformen: In einigen Häusern teilen sich zwei oder mehr Frauen mit ihren Kindern Küche und Badezimmer, wohnen und wirtschaften für sich. In anderen Häusern kochen alle gemeinsam und es gibt Pläne, nach denen die Gemeinschaftsräume von allen Bewohnerinnen reihum gereinigt werden. Eine weitere Möglichkeit, die ebenfalls Frauenhaus genannt wird, sind separate, sogenannte Notwohnungen, in denen einzelne Frauen mit ihren Kindern übergangsweise wohnen und von Anfang an allein wirtschaften. Diese Notwohnungen gibt es nur in wenigen Städten, ihre Nutzung ist Frauen vorbehalten, deren Söhne das Höchstalter für männliche Kinder im regulären Frauenhaus überschritten haben.

In diesem Text möchte ich nur auf die beiden erstgenannten Beispiele eingehen, da ich diese selbst erleben und mit ihren Vor- und Nachteilen erfahren durfte.

Beiden Frauenhausformen war gemeinsam, dass tagsüber ein Team von Sozialpädagoginnen und Erzieherinnen anwesend waren, die sich um die Belange der Frauen und Kinder kümmerten, ansprechbar waren und in Notfällen eingreifen konnten. In diesen sogenannten ‚Bürogesprächen‘ wurden aktuell anstehende organisatorische Dinge geklärt, frau hatte jederzeit das Gefühl, dass ihr Werdegang mit Interesse verfolgt wurde und auf ihre individuelle Lage zugeschnittene Hilfe zur Verfügung gestellt wurde.

Die ‚Notfälle‘ sind wohl das, was in einer der oberen Antworten mit ‚Geschrei‘ gemeint gewesen sein könnte. Frauen, die in ein Frauenhaus kommen, befinden sich in einer Ausnahmesituation, emotional und oft auch körperlich.

Nicht selten haben Frauen akute Nervenzusammenbrüche, bei denen es dann auch schon mal laut zugehen kann. Die Betreuerinnen sind in solchen Fällen stets innerhalb kürzester Zeit zugegen und sorgen entweder dafür, dass sich die betroffene Frau rasch wieder beruhigen kann oder entsprechende medizinische Hilfe erhält. Passiert so etwas nachts, ist eine Betreuerin per Notrufnummer erreichbar und wird auch dann schnell die erforderlichen Schritte einleiten.

 

Was ist ein Frauenhaus nicht?


„Ein Hotel.“
„Ein Gefängnis.“
„Eine eigene Wohnung.“
„Ein Männerhaus!“


Männer haben, abgesehen von Polizeibeamten und in bestimmten Fällen eventuell Ärzten und Handwerkern, zum Frauenhaus keinen Zutritt. Selbst wenn Du vielleicht bei der Trennung schon einen neuen Partner hast, wird er Dich im Frauenhaus nicht besuchen können.

Wenn Du Dich mit Deinem Vater, erwachsenen Bruder oder Freund treffen möchtest, müsst ihr einen Treffpunkt außerhalb des direkten Umfelds des Frauenhauses ausmachen.

Dies dient Deiner und der Sicherheit der anderen Bewohnerinnen. Es ist definitiv eine Männerfreie Zone. Das mag pauschal verurteilend klingen und auch insofern wenig sinnvoll, als dass keine Frau auf Dauer ein völlig Männerfreies Leben führen kann; und die meisten Frauen das ja auch gar nicht wollen.

Natürlich ist den Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser klar, dass nicht jeder Mann ein Misshandler ist. Zu bedenken ist aber, dass sich im Frauenhaus ausnahmslos schwer traumatisierte Frauen in einer absoluten Ausnahmesituation befinden. Diese Frauen, also vielleicht auch Dich, in dieser Lage in ihrer Sicherheitszone – ihrem Zuhause auf Zeit – mit potentiell als bedrohlich empfindbaren Menschen zu konfrontieren, wäre rücksichts- und taktlos. Wer in einem Frauenhaus Zuflucht vor einem misshandelnden Partner sucht, hat das eigene Zuhause bisher als gefährlichen Ort erlebt. Damit diese nahezu eingebrannten Erfahrungen weitestgehend überschrieben werden können, müssen die Frauenhaus-Bewohnerinnen die Erfahrung machen, in ihrem jetztigen Zuhause dass Ihre Schutzzone nicht verletzt wird un sie sich auf die Sicherheit ihres jetzigen Zuhauses, absolut verlassen zu können.

Ein Frauenhaus ist kein Hotel.

Du wirst dort keinen Zimmerservice vorfinden, keinen Wäschedienst für Deine Kleidung und niemand wird Dir einen Cocktail an einen Pool bringen. Die Ausstattung wird vielleicht nicht die Beste sein und einen Sternekoch wird kein Haus bezahlen können.

Mit Ungeziefer und schlechten hygienischen Bedingungen ist dort aber auch nicht zu rechnen. Da können Urlaubshotels wesentlich üblere Überraschungen zu bieten.

Viele Frauenhäuser kämpfen dauerhaft um ihre Finanzierung und sind auf Spendengelder angewiesen, um weiterhin schnelle und unbürokratische Aufnahme der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen gewährleisten zu können. Die hierfür notwenigen Mittel werden seit der Finanzierungsreform von den Kommunen, die meist Träger der Einrichtungen sind, oft kontinuierlich gekürzt. Während teilweise für das Schützenfest der Gemeinde samt zugehörigem Freibier haufenweise Gelder zur Verfügung gestellt werden, kann das ansässige Frauenhaus kaum seine Betriebskosten finanzieren, geschweige denn Gelder für Renovierung und Neuausstattung aufbringen.

Du wirst also vielleicht Abstriche von Deiner gewohnten Ausstattungsqualität machen müssen. Was aber selbst das teuerste Marmorbad zuhause nicht ersetzen kann: Die Freiheit, Deine eigenen Entscheidungen treffen zu können und Dein Leben nach Deinen Wünschen und Bedürfnissen ohne jede Gewalt zu gestalten. Das Frauenhaus kann und will hierzu ein Sprungbrett sein.

Im Durchschnitt wirst Du Dich zwischen sechs und zwölf Wochen im Frauenhaus aufhalten. Dein neues Leben ist die möglichen Einschränkungen in dieser Übergangszeit definitiv wert.

Manche Frauen befürchten, sich im Frauenhaus nicht frei zu fühlen. Wie im Verlauf noch erläutert, gibt es in jedem Frauenhaus Regeln, an die Du Dich zu halten hast, während Du dort wohnst. Du bist dort jedoch nicht gefangen und hast viele Möglichkeiten, Dein Leben auch im Rahmen dieser Regeln und in der Übergangszeit selbst zu gestalten. Es liegt an Dir, wie Du diese Zeit nutzt.

Und was machen die Frauen da den ganzen Tag?


„Faulenzen.“

„Na, sie überlegen, wie es weitergehen soll.“

„Eigentlich alles, was sie zuhause auch machen. Mama hat da oft gekocht und Wäsche gewaschen. Sauber gemacht haben alle zusammen. Und die müssen immer reden.“

„Im Frauenhaus hatte Mama oft keine Zeit, die musste Großensachen (Anm. d. Red.: Erwachsenenangelegenheiten) machen. Aber da war ich dann im Spielzimmer.“

„Sie weinen oft. Ist ja auch traurig, alles zurückzulassen. Aber sie lachen auch oft, weil sie sich auf die neue Wohnung freuen oder weil sie etwas Gutes erreicht haben. Manchmal haben sie bis spät in die Nacht hinein gefeiert und geredet.“


„Wir bieten den Frauen in unserem Haus einen geregelten Tagesablauf an, den sie sonst in dieser Ausnahmezeit vielleicht nicht einhalten könnten. Dabei ist er flexibel mit einigen Eckpunkten, an die sich alle halten müssen.“


In den Frauenhäusern, in denen ich selbst war, war der Vormittag den Beratungsgesprächen vorbehalten. In dieser Zeit wurden die Kinder von Erzieherinnen betreut.

Die Frauen haben oft in kürzester Zeit sehr viel zu regeln und erhalten dabei immer wieder Hilfsangebote durch die Betreuerinnen. Als besonders gut habe ich es empfunden, dass jede Frau ihre eigene Ansprechpartnerin hatte, die sich mit ihrem Fall auskannte und stets auf dem Laufenden blieb. Dinge, die geregelt werden müssen, sind beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder, die Entscheidung eine Anzeige gegen den Misshandler zu erstatten, die Wohnungssuche, das Stellen von Anträgen auf Hilfe zum Lebensunterhalt und Vieles mehr.

Denjenigen Frauen, die arbeiten, helfen die Mitarbeiterinnen in der Regel dabei, ihren Beruf trotz des Frauenhausaufenthalts ohne Unterbrechung ausüben zu können. Gemeinsam wird für eventuell vorhandene Kinder nach Betreuungsmöglichkeiten und nach Wegen, die Arbeitsstelle täglich zu erreichen, gesucht. Ist eine Fortführung der Arbeit während des Aufenthalts nicht möglich, zum Beispiel bei großer räumlicher Entfernung zwischen Haus und Arbeitsplatz, helfen die Mitarbeiterinnen den Frauen dabei, ihren Arbeitsplatz trotz des Ausfalls zu erhalten, sofern sie dies wünschen.

Den restlichen Tagesablauf gestalten die Frauen, je nach Haus entweder selbst oder er hat gemeinsame Eckpunkte, zu denen alle zusammenkommen und gemeinsam einkaufen, essen, putzen, Ausflüge unternehmen oder schlicht mit den Kindern auf den Spielplatz gehen. Je nach persönlicher Bedürfnislage kann die eine oder die andere Lebensform als die Bessere empfunden werden. Wenn Dein Leben also nicht akut bedroht ist, lohnt es sich vielleicht, nachzufragen, wie der Tagesablauf im nächsterreichbaren Haus ist.

Aber wird frau da nicht bevormundet?

Definitiv nicht. Das erklärte Ziel der Frauenhäuser ist es, dass die Frauen, wenn sie das Haus wieder verlassen, auf eigenen Beinen stehen und ihren Tagesablauf und ihr Leben selbständig gestalten. Bevormundung, wie meist durch den Partner erlebt, schwächt ebendiese Fähigkeit.

Es gibt natürlich in jedem Haus Regeln. Während eine Frau in ihrem eigenen Haushalt ihre eigenen Regeln aufstellen kann, ist beim Zusammenleben so vieler verschiedener Charaktere ein grundsätzliches Reglement wichtig. Häufig gibt es für die Kinder eine feste Schlafenszeit, die unbedingt eingehalten werden sollte (selbstverständlich mit Rücksichtnahme auf das Alter der Kinder, von einem Baby wird niemand erwarten, dass es um acht Uhr pünktlich ins Bett geht), damit die Frauen am Abend Zeit für sich haben und Ruhe ins Haus einkehrt. Raucherinnen müssen entweder nach draußen zum Rauchen oder haben festgeschriebene Raucherräume.

Beispiele für weitere Regeln:

  • Die Adresse und direkte Telefonnummer des Hauses darf selbstverständlich niemandem mitgeteilt werden. Als Wohn- und Meldeadresse gibt frau „Frauenhaus XY – Postfach 12345“ an.
  • Tierhaltung ist in den meisten Häusern verboten. Es gibt jedoch Ausnahmen! Solltest Du dein Haustier auf keinen Fall beim Misshandler zurücklassen können, erkundige Dich vorher nach den Frauenhäusern, die Tiere mit aufnehmen. Mir sind mindestens zwei Häuser in Deutschland bekannt, die Hunde und Katzen mit aufnehmen und eine große räumliche Entfernung zu Deinem ursprünglichen Wohnort muss kein Nachteil sein.
  • Im Haus ist Ordnung zu halten.
  • Ganz wichtig: KEINE Gewalt! Gar keine. Auch kein Klaps auf Kinderfinger.
  • Etc.

Die Regeln sind natürlich in jedem Haus unterschiedlich. Ich habe hier nur Beispiele angeführt um zu zeigen, dass es im Grunde genommen Selbstverständlichkeiten sind, die über eine Regelliste „in Stein gemeißelt“ werden. Niemand wird Unmögliches von Dir verlangen und ich habe es als Vorteil empfunden, genau zu wissen, was von mir als Bewohnerin erwartet wird. Das vermeidet Unsicherheiten.

Was für Frauen gehen in ein Frauenhaus?


„Geschlagene Frauen.“

„Asylantinnen, die abgeschoben werden sollen.“

„Frauen, die kein eigenes Geld haben und schmarotzen wollen!“

„Mama war da!“

„Solche wie Mama, die einen bösen Mann haben, der die Kinder verhaut und immer rumschreit. Und wie Nadine, wo der Matthias sie mit dem Messer stechen wollte! Da war auch Nelly, weil ihr Papa sie verkaufen wollte.“

„Alle Möglichen, von jung bis alt. Schülerinnen, Studentinnen, Frauen, die schon in Rente sind. Arbeitende Frauen, Frauen mit und ohne Kinder. Es gibt keinen Klischeetyp von Frau, der dorthin geht.“

„V i e l    z u    v i e l e.“


„Zu uns kommen Frauen, die von ihren Partnern emotional und physisch misshandelt wurden. Oft haben die Frauen ein oder mehrere Kinder, die dann mit ihnen eine Zeit lang hier wohnen. Sie stammen aus allen Gesellschaftsschichten, Altersstufen und Nationalitäten.“


Auch diese Antworten sind zum Teil korrekt, sie bedürfen allerdings einiger Erläuterungen:
Im ersten Moment denkst Du vielleicht, dass Du nicht in ein Frauenhaus kannst, weil Dein Ex-Partner Dich nicht geschlagen hat; und tatsächlich: Zunächst einmal waren die vielen geschlagenen Frauen Anlass und Auslöser der Gründung der ersten Frauenhäuser. Auch heute noch haben ein Großteil der Frauen, die in einem Frauenhaus Zuflucht finden, körperliche Misshandlungen erlitten. Doch das ist nicht alles.

Den Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser ist gut bekannt, dass Gewalt nicht erst bei einer Ohrfeige anfängt. Sie wissen, dass emotionale Gewalt eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass körperliche Gewalt Einzug in eine Beziehung hält und sich oft etabliert, von der Ausnahme zur Regel wird.
Deswegen wirst Du mitnichten „schräg angeschaut“, wenn der Mann, von dem Du Dich trennst, ein psychischer und verbaler Gewalttäter, aber NOCH kein Schläger war.

Ein Teil der Frauen im Frauenhaus besteht in der Tat aus Frauen, die in Deutschland Asyl gesucht haben, um Verfolgungen im Heimatland zu entgehen. Einen Verfolger brachten sie jedoch mit, der oft zum wahren Folterer mutierte: Ihren Partner.

Andere fanden in Deutschland einen „modernen“ Mann, der sich im Nachhinein als Gewalttäter herausstellte.

Insbesondere im letztgenannten Fall droht der Frau dann die Abschiebung, die sie durch das Heiraten des Gewalttäters zu vermeiden hoffte. Auch diese Frauen finden im Frauenhaus Unterkunft, Unterstützung und Hilfe, vor allem bei Behördengängen, da ihre deutschen Sprachkenntnisse häufig noch nicht ausreichen.

Nicht alle Frauen, die in einem Frauenhaus landen, sind arm. Während meiner Aufenthalte habe ich Frauen aller sozialen Schichten kennen gelernt.

Es stimmt, dass ein Teil der Bewohnerinnen Leistungen nach dem SGB II beziehen.

Dies sind zum Beispiel Frauen, denen die Ausübung eines Berufs durch den Misshandler unmöglich gemacht wurde; Frauen, die sich gerade in Elternzeit befinden und natürlich auch Frauen ohne Berufsausbildung.

Sehr häufig sind dies aber auch Hausfrauen, Ehefrauen einigermaßen wohlhabender Männer, die von ihrem nun Ex-Partner nie Geld zur eigenen Verfügung erhalten haben und völlig ohne Besitz Zuflucht im Frauenhaus suchen. Manche kommen mit nicht mehr als der Kleidung am Leib an.

Mütter.

Es kommen wirklich viele Frauen mit Kindern ins Frauenhaus. In den sechs Wochen, die ich im Frauenhaus verbrachte, waren dauerhaft acht Frauen mit insgesamt 14 Kindern (vom Neugeborenen bis zum Teenager) dort. Diese Zahlen schwanken jedoch ständig, da manche Frauen nach nur einer Nacht zu ihrem Misshandler zurückkehren oder aus anderen Gründen das Haus verlassen, zum Beispiel weil sie eine eigene Wohnung gefunden haben und nun in ihr gewaltfreies Leben durchstarten.

Zusammenfassend kann frau tatsächlich sagen, dass es diese „typische Frauenhaus-Frau“ nicht gibt. Sie ist eine von (zu) vielen Klischees, die betroffene Frauen oft dazu bringen, einen Frauenhausaufenthalt kategorisch abzulehnen.

Die bunte Zusammenstellung kann eine Belastung sein, sie kann sich jedoch auch äußerst bereichernd herausstellen. Wann sonst hat frau Gelegenheit, mit Menschen aller Gesellschaftsschichten und verschiedener Kulturen nah zusammen zu leben? Die Mitarbeiterinnen achten darauf, dass Unterschieden Respekt entgegengebracht wird und fördern dies durch gemeinsames Kochen, Feiern und Gespräche. Zudem besteht für jede Frau jederzeit die Möglichkeit, sich in ihren privaten Bereich (ihr Zimmer) zurückzuziehen und dort Ruhe zu finden.

 

„Also gut, das klingt ja alles gar nicht so schlimm. Ich will auch in ein Frauenhaus, wie komme ich da hin?“

Den ersten Kontakt zum Frauenhaus nimmst Du in der Regel telefonisch auf. Die Frauenhäuser sind Tag und Nacht erreichbar. Du wirst gefragt, wie viele Personen welchen Alters Zuflucht benötigen und kannst alle Fragen stellen, die Dir unter den Nägeln brennen. Sollte im kontaktierten Frauenhaus nicht genug Platz für Dich und Deine eventuellen Kinder vorhanden sein, wird man Dir die Nummer eines Frauenhauses nennen, das Dich aufnehmen kann.

Du wirst mit keiner Frage allein gelassen. Solltest Du völlig mittellos sein, beispielsweise weil Dein Misshandler Dir Dein Geld weggenommen hat, besteht auch die Möglichkeit, dass Dir die Anfahrtskosten vom Frauenhaus vorgestreckt werden und Du sie zurückzahlst, sobald Du eigenes Geld zur Verfügung hast. Du musst die Misshandlung nicht länger ertragen!

Am Telefon wird Dir ein Treffpunkt genannt, oft ein Bahnhof oder etwas ähnlich leicht zu Findendes, an dem Du von einer Mitarbeiterin des Frauenhauses oder einer Bewohnerin abgeholt wirst. Die Adresse des Hauses wirst Du telefonisch nicht erfahren. Dies dient dem Schutz der Bewohnerinnen, da Misshandlern zuzutrauen ist, weibliche Bekannte dazu zu bringen, die Adresse für sie zu erfragen.

Was muss ich denn mitbringen?

Du MUSST gar nichts mitbringen. In vielen Fällen ist es nötig, sofort und ohne Vorankündigung die Flucht zu ergreifen, um das eigene Leben oder das Deiner Kinder zu schützen. Selbst wenn Du nur mit dem kommst, was Du am Leib trägst, ja selbst dann, wenn dein Misshandler Dir den Personalausweis weggenommen hat, kannst Du ins Frauenhaus kommen und wirst auch dann Deinen Weg in ein gewaltfreies Leben finden.

Hast Du aber die Gelegenheit, etwas Vorarbeit zu leisten und einige Dinge zu packen, ist Folgendes sinnvoll:

  • Personalausweis und evtl. Kinderausweise/Geburtsurkunden der Kinder
  • Wichtige Dokumente
  • Geld
  • Krankenkassen- und Kontokarten
  • Arbeitspapiere
  • Medikamente
  • Persönliche Wertsachen wie Schmuck oder Fotos
  • Schulsachen der Kinder
  • Persönliche Wertsachen der Kinder wie z.B. das Lieblingskuscheltier

Bitte denke daran: NICHTS ist so wertvoll wie Dein Leben und das Deiner Kinder. Riskiere es nicht, um vielleicht noch irgendeinen ersetzbaren Gegenstand zu retten. In der Trennungssituation ist Dein Misshandler unberechenbar. Selbst Männer, die vorher nie physisch gewalttätig wurden, können hier „ausrasten“ und zum Mörder werden.

Du hast ein Recht auf Deinen Besitz. Vom Frauenhaus aus kannst Du mit Hilfe einer Anwältin dieses Recht durchsetzen und auch nachträglich Deine Kleider, Möbel, Geräte, etc. einfordern.

„Und was ist, wenn ich kein Geld habe?“

Wenn Du mittellos bist, trägt das Jobcenter des Ortes, in dem auch Dein Frauenhaus ist, die Kosten für den Aufenthalt und Du erhältst Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus sind mit Deiner Situation aus vielfacher Erfahrung heraus vertraut und werden Dir helfen, dafür zu sorgen, dass Du weder jetzt noch in Zukunft untergehst, egal was dein Misshandler Dir prophezeit hat.

„Na prima, dann rufe ich da jetzt an…wo finde ich denn die Nummer?“

Du findest die Nummern der Frauenhäuser in Deutschland hier:
http://www.autonome-frauenhaeuser-zif.de
www.frauenhauskoordinierung.de

Auf dieser Seite können die Frauenhäuser auch nach bestimmten Suchkriterien, z.B. „Haustiermitnahme möglich?“ sortiert werden.

Natürlich kannst Du auch in ein Telefonbuch schauen oder in einer Frauenberatungsstelle nachfragen. Bist Du schon auf eigene Faust geflohen und weisst nicht wohin, kannst Du Dich an die Polizei wenden, notfalls wird man Dich zum nächstgelegenen Frauenhaus bringen.

„Also, ich bin dann mal weg…“

Schön, dass Du Dich entschieden hast, Deinem und dem Leben Deiner Kinder eine positive Wendung zu geben. Ich wünsche Dir auf Deinem Weg in Dein neues, selbstbestimmtes, gewaltfreies Leben alles Glück der Welt. Mögen alle Deine Wünsche und Träume wahr werden: JETZT schaffst Du Dir selbst die Gelegenheit dazu. Ohne den Misshandler!

Alles Liebe,
Deine Anthea

 

Quellen:
Interviews mit N.L., M.W., M.W.-R., S.S., meinen Kindern, einer Mitarbeiterin eines ‚meiner‘ Frauenhäuser, die nicht namentlich genannt werden möchte und der Webpräsenz dieses Frauenhauses.
http://www.frauenhauskoordinierung.de Stand 24.05.2012
http://www.frauen-info-netz.de Stand 24.05.2012
Und nicht zuletzt: Eigene Erfahrung.